Offene Handelsgesellschaft nach dem bulgarischen Handelsrecht

Die offene Handelsgesellschaft (bulg.: Събирателно дружество, kurz: СД) ist in Bulgarien in den Artikeln 76 bis 98 des bulgarischen Handelsgesetzes geregelt. Nach der gesetzlichen Definition im Art. 76 HG ist diese Handelsgesellschaft eine Vereinigung von zwei oder mehreren Personen, deren Zweck auf den Betrieb eines Handelsgewerbes unter einer gemeinschaftlichen Firma gerichtet ist.

Die Gesellschafter haften als Gesamtschuldner mit ihrem gesamten Vermögen. Die Haftung der Gesellschafter ist persönlich, unbeschränkt und subsidiär für die Verbindlichkeiten der offenen Handelsgesellschaft. Aufgrund der letzten Besonderheit wird die offene Handelsgesellschaft als eine Personengesellschaft bezeichnet. Auch die persönliche Gesellschaftsbeteiligung der Gesellschafter wird durch persönliche Beteiligung an der Betriebstätigkeit der Gesellschaft gekennzeichnet.

Wegen des persönlichen Elements der offenen Handelsgesellschaft enthält ihre Firma die Namen eines oder mehreren Gesellschafter oder ihrer Firmen. Der Gesellschaftsvertrag muss von allen Gesellschaftern unterzeichnet und notariell beglaubigt werden. Desweiteren muss das Antragsformular für die Eintragung ins Handelsregister von allen Gesellschaftern unterzeichnet werden und alle die Gesellschaft vertretenden Personen müssen eine Unterschriftsprobe ablegen.

Im Rechtsverhältnis zwischen den Parteien im Handelsverkehr unterscheidet das bulgarische Gesellschaftsrecht ein Innenverhältnis, also das zwischen der offenen Handelsgesellschaft und ihre Gesellschaftern, und ein Außenverhältnis, also das zwischen der offenen Handelsgesellschaft und den Gesellschaftern gegenüber Dritten. Das Innenverhältnis wird in aller Regel nach dem Gesellschaftsvertrag geregelt, das Außenverhältnis dagegen nur nach dem Handelsgesetz.

I. Rechtsverhältnis (Innenverhältnis) zwischen der Gesellschaft und den Gesellschaftern.

Die Rechte und Pflichten der Gesellschafter im Innern der Gesellschaft können materielle und immaterielle sein.

1. Materielle Rechte sind:

  • Recht auf einen Gewinnanteil dem Ende des Finanzjahres, falls Gewinn realisiert wird.
  • Recht auf eine Liquidationsquote, falls die Gesellschaft aufgelöst wird und nach Befriedigung der Forderungen der Gläubiger ein zu verteilendes Vermögen zurückgeblieben ist.
  • Recht auf Entschädigung der Kosten bezüglich der Erledigung von Gesellschaftsaufgaben, sowie aller unmittelbar davon entstandenen Schäden. Dazu besteht auch ein Anrecht auf allen gesetzlichen Zinsen.

2. Immaterielle Rechte:

  • Gem. Art. 84 HG ist jeder Gesellschafter berechtigt an der Gesellschaftsführung teilzunehmen. Darunter wird die Leitung der Gesellschaft an sich und nicht deren Vertretung in Bezug auf Drittpersonen verstanden. Außerhalb der Befugnisse der Gesellschafter bleiben der Erwerb und die Verfügung über dingliche Rechte an Immobilien, die Anstellung von Geschäftsführer, den Abschluss von Darlehensverträgen, deren Höhe über die im Gesellschaftsvertrag angegebenen Betrag liegt, sowie alles sonstigen Rechtsgeschäften, die einen Beschluss der Gesellschafterversammlung bedürfen;
  • Stimmrecht, das ein unwiderrufliches Recht jedes Gesellschafters ist;
  • Prüfungsrecht eines jeden Gesellschafters, der an der Geschäftsführung nicht beteiligt ist. Dies ist ein Schutzrecht, das jedem Gesellschafter zusteht.

3. Materielle Pflichten:

  • Einlagenpflicht, deren Höhe und Art im Gesellschaftsvertrag bestimmt werden;
  • Bei Verspätung der Einlagenanzahlung ist der Gesellschafter zur Zahlung von Zinsen verpflichtet.

4. Immaterielle Pflichten:

  • Treuepflicht – einem Gesellschafter ist es verboten ohne Einwilligung der anderen Gesellschafter weder an einer anderen Handelsgesellschaft beteiligt zu werden noch Geschäfte auf eigene oder fremde Rechnung einzugehen, wenn diese in irgendeiner Weise den Gegenstand der Gesellschaft betreffen;
  • Wegen des persönlichen Charakters der offenen Handelsgesellschaft schuldet jeder Gesellschafter eine Beteiligung durch eigene Handlungen an den Betriebstätigkeiten der Gesellschaft.

II. Rechtsverhältnis (Außerverhältnis) – zwischen den Gesellschaftern und Dritten

Gem. Art. 89 Abs. 1 HG ist jeder Gesellschafter der offenen Handelsgesellschaft Kraft des Gesellschaftsverhältnisses ein gesetzlicher Vertreter der Gesellschaft. Der Gesellschafter handelt als ein Gesellschaftsorgan und braucht daher keine Vollmacht. Einschränkungen gegenüber Dritten sind gegenüber gutgläubigen Dritten nur nach einem entsprechenden Eintrag ins Handelsregister wirksam. Die Vertretungsmacht der Gesellschafter darf im Gesellschaftsvertrag beschränkt werden. Diese kann einem oder mehreren Gesellschaftern, aber auch einem Dritten übergeben werden.

Die wichtigste Besonderheit der offenen Handelsgesellschaft ist die unbeschränkte persönliche Gesamthaftung jedes Gesellschafters für die Schulden der Gesellschaft. Gem. Art. 88 HG ist die Haftung subsidiär und beschränkt auf das beschlagfreie Vermögen jedes Gesellschafters. Die Gläubiger dürfen Erfüllung ihrer Forderungen von einem Gesellschafter nur dann suchen, wenn ihre Befriedigung durch das Vermögen der offenen Handelsgesellschaft nicht mehr möglich ist. Dagegen darf jeder Gesellschafter alle persönlichen Einwände oder Einwände der Gesellschaft erheben. Gem. Art. 92 HG haften neue Gesellschafter auch für die alten Schulden der Gesellschaft. Alle Ansprüche der Gesellschaftsgläubiger gegenüber den Gesellschaftern verjähren in 5 Jahren nach der Auflösung der Gesellschaft oder nach dem Ausscheiden des Gesellschafters, wenn da keine andere Verjährungsfrist gilt.

Im umgekehrten Fall haftet die offene Handelsgesellschaft nicht für die Schulden der Gesellschafter, weder als natürliche, noch als juristische Personen. Es besteht aber die gesetzliche Möglichkeit, dass ein Gläubiger eines Gesellschafters die Pfändung seines Anspruchs auf den Liquidationsanteil und die Auflösung der offenen Handelsgesellschaft erwirken kann, falls er innerhalb der letzten 6 Monate die Zwangsvollstreckung in das bewegliche Vermögen des Gesellschafters erfolgslos betrieben hat. Gem. Art. 96 Abs. 1 HG kann dieser Rechtsfolge entgangen werden, wenn die Gesellschaft oder die anderen Gesellschafter die Schulden des verschuldeten Gesellschafters begleichen. Dabei können die Gesellschafter die Gesellschaftsbeteiligung des Schuldners beenden.

Die Voraussetzungen für die Auflösung der offenen Handelsgesellschaft sind im Art. 93 HG aufgezählt:

  • Auf Antrag eines Gesellschafters durch schriftliche Mitteilung an den anderen Gesellschaftern unter Beachtung einer Kündigungsfrist von mindestens sechs Monaten, wenn die Gesellschaft für eine unbestimmte Zeit eingegangen ist;
  • Auf Antrag eines Gesellschafters durch das Gericht, wenn ein andere Gesellschafter eine ihm nach dem Gesellschaftsvertrag obliegende wesentliche Verpflichtungen vorsätzlich oder aus grober Fahrlässigkeit verletzt oder wenn die Erfüllung einer solchen Verpflichtung unmöglich wird oder wenn ein Gesellschafter gegen die Interessen der Gesellschaft handelt;
  • durch Privatgläubiger eines Gesellschafters.

Es besteht aber die Möglichkeit, dass die Gesellschaft trotz der beendeten Beteiligung eines Gesellschafters an der Gesellschaft fortgeführt werden kann. In diesem Fall haben die übrigen Gesellschafter gem. Art 97 HG den Anteil am Gesellschaftsvermögen des ausgeschiedenen Gesellschafters zu bezahlen. Im Falle des Todes eines Gesellschafters können die Erben an seiner Stelle in die Gesellschaft treten, wenn dies nach dem Gesellschaftsvertrag möglich ist.